Fünfter Tag

Nur eine Flugstunde liegen zwischen Buon Ma Thuot und Ho Chi Ming City, doch wer geglaubt hat, es gäbe viele Autos und Motorräder in Buon Ma Thuot, der reibt sich in Ho Chi Ming City die Augen. Im Grossraum der Stadt leben ca. 20 Millionen Menschen. Gefühlt sind mindestens so viele Motorräder in der Stadt unterwegs. Auf dem ersten Blick erscheint alles ein unmögliches Durcheinander, doch es funktioniert. Irgendwie geht es immer weiter. In Ho Chi Ming City (ehemals Saigon) gibt es weder ein Busnetz noch eine U-Bahn. Es gibt ein Projekt, eine überirdische Strassenbahn zu bauen. Das Ganze ist jedoch ins Stocken gekommen, weil die Investoren aus Japan den Geldhahn zugemacht haben. Doch die Stadt würde dringend Entlastung benötigen.
Ho Chi Ming City ist eine Stadt mit vielen Gegensätzen. Auf der einen Seite gibt es viele Leute, welche mit nur wenig Geld auskommen müssen. Nur wenige Minuten davon entfernt gibt es Einkaufsstrassen mit internationalen Marken. Die Mieten, welche dort bezahlt werden, sind höher als jene an der Bahnhofstrasse in Zürich. Wohnungspreise in hippen Gebieten der Stadt sind vergleichbar mit jenen der „Goldküste" am Zürichsee. Als Prestigeobjekt entsteht in mitten der Stadt ein ca. 500 Meter hoher Turm. Ausschliesslich mit Wohnungen. Die Wirtschaft in Vietnam ist in den letzten 7 Jahren immer mindestens um 5% gewachsen. Das Selbstbewusstsein der Handelsmetropole im Süden Vietnams auch. Eine gefährliche Entwicklung.

Auch für Kaffee ist Ho Chi Ming City eine wichtige Stadt. Die meisten Bohnen werden über den Hafen am Saigon River verschifft. Doch bevor der Kaffee die lange Reise nach Europa antritt, wird er noch in grossen Lagerhäusern gelagert, gereinigt und nach Bohnengrösse und Qualität sortiert. Auch in diesem Bereich hat sich Vietnam stark verändert. Früher erfolgte die Aufbereitung des Kaffees oft im Inland. In den letzten Jahren wurde vieles Zentralisiert und aus logistischen Gründen in die Nähe des Hafens verlegt.

Die neu aufgebauten Kapazitäten sind gewaltig. Es gibt Lagerhäuser die pro Tag über 1'000 Tonnen Kaffee annehmen. Big Business. Die positiven Aspekte für den Kaffeeröster sind dabei die besseren Qualitäten, die produziert werden können (weniger Steine und Fremdmaterial) und tiefere Produktionskosten. Der Kaffeehandel in Vietnam ist dabei sehr anspruchsvoll. Die Margen für den Handel sind äusserst klein und Geld kann nur verdient werden, wenn grosse Mengen umgesetzt werden. Es gibt nur wenige Kaffee-Produktionsländer auf der Welt, bei denen der Kaffeehandel so transparent ist. Somit landen nicht selten 85 - 90% des Preises, welcher ein Kaffeeröster für den Grünkaffee bezahlen muss beim Kaffeebauern. Dies ist ein wichtiges Argument für den Kaffee aus Vietnam. Ein Land, welches sich im Auf- und Umbruch befindet, zwischen Tradition und Moderne. Aufgeschlossen und freundlich, doch vor allem strebsam und unermüdlich.