15. und 16. Februar 2016 (Nicole)
La Laguna
Das Beneficio San Bernardo wurde im Jahr 2009 von Bernardo Riviera gebaut. Die Familie Riviera besass schon seit jeher ein Stück Land mit in La Laguna, welches teilweise mit Kaffee bepflanzt war. Als Anwalt mit sozialer Ader hatte Bernardo die Idee, sein Geld in den Ausbau der Plantage und ein eigenes Beneficio zu investieren. Ziel war, seinen eigenen Kaffee nicht mehr nach San Pedro bringen zu müssen, sondern direkt vor Ort verarbeiten zu können und so nicht zuletzt auch Arbeitsplätze zu schaffen. Einigen Erntehelfer hat er ein Stück Land geschenkt um sich niederzulassen, da sie vorher kein Land besassen. Nur drei Monate nach Fertigstellung des Beneficios wurde Bernardo in der Nähe seiner Plantage entführt und umgebracht. Erst nach seinem Tod erfuhr Alfredo, Bruder von Bernardo, dass dieser ihm das Beneficio vererbt hat. Alberto ist Arzt, hat 6 Jahren in den Staaten als Assistenzarzt praktiziert und arbeitete damals in Tegucigalpa. Als er von seinem Erbe erfuhr, musste er sich zuerst Gedanken machen, was er damit anfangen sollte – er hatte keine Erfahrung in der Verarbeitung von Kaffee, kannte aber den Kaffeeanbau und die Menschen auf La Laguna seit seiner Kindheit.
Direkte Zusammenarbeit mit den Kaffeebauern ermöglicht ein höheres Einkommen
Kaffee waschen auf traditionelle Art im Beneficio |
Die Region La Laguna ist sehr abgelegen und der nächstmögliche intermediario ist weit entfernt. In der Vergangenheit haben die Bauern ihren Kaffee jeweils einem intermediario in San Pedro Sula oder in Concepción del Norte verkauft, was hohe Transportkosten und dementsprechend einem tieferen Gewinn für die Bauern zur Folge hatte. Vor diesem Hintergrund entstand zusammen mit einem Exporteur die Idee, das Beneficio San Bernardo nicht für die eigene Plantage zu nutzen, sondern den Kaffee der Bauern von La Laguna als Dienstleistung zu verarbeiten und vom Exporteur direkt abholen zu lassen. Die Bauern erhalten Vorfinanzierung zu fairen Konditionen und können zudem entscheiden, wann sie den Kaffee verkaufen wollen – auch wenn dieser aus qualitätstechnischen Gründen bereits verarbeitet und fachgerecht eingelagert wurde. Dies ermöglicht ihnen, einen guten Marktpreis abzuwarten und zu guten Konditionen zu verkaufen. Seit drei Jahren ist nun Alfredo zusammen mit dem Exporteur daran, das Beneficio zum Laufen zu bringen. Während den Monaten ohne Ernte, arbeitet er in der Stadt als Arzt, um Geld für den Aufbau des Beneficios zu verdienen. In den ersten Monaten bestand die Herausforderung darin, Vertrauen und eine Partnerschaft mit den Produzenten aufzubauen.
Seit der Ernte 2013/14 konnte die gelieferte Menge an Kaffee verdreifacht werden – ein grosser Erfolg. Bereits 300 Bauern können ihre Bohnen nun zu guten Bedingungen verkaufen. Nun steht das Beneficio vor der nächsten Herausforderung: die Bauern sind motiviert und die Vorteile der direkten Zusammenarbeit mit Alfredo und dem Exporteur hat sich herumgesprochen. Da das Beneficio aber ursprünglich für die eigene Plantage gebaut wurde, stösst es an Kapazitätsgrenzen und kann nicht mehr Kaffee als heute verarbeiten. Der angelieferte Kaffee muss innert kürzester Zeit gewaschen, entpulpt und getrocknet werden, damit die Qualität erhalten bleibt und der Kaffee nicht fermentiert. Dazu braucht es genug Kapazitäten für das Entpulpen und die maschinelle Trocknung der Bohnen. Eine weitere Herausforderung ist die Logistik. Die Plantagen liegen sehr abgelegen, sind bei Regen kaum erreichbar und das Beneficio verfügt über keine Transportmittel, um den Kaffee bei den Bauern abzuholen. Um die Bauern zusätzlich zu unterstützen, hat Alfredo einen spannenden Ansatz gewählt: jeder Produzent, der den Kaffee auf La Laguna abliefert, erhält einen kleinen Unkostenbeitrag an die Transportkosten. Egal ob Transport mit dem Auto, Motorrad, Esel oder von Hand; alle erhalten einen Beitrag, was von den Produzenten ausserordentlich geschätzt wird.
Die Herausforderungen der Menschen
Ich verbringe zwei ganze Tage inklusive Übernachtung auf La Laguna. Ich möchte die Menschen auf La Laguna nicht nur kurz besuchen, sondern mir Zeit für ausführliche Gespräche nehmen und mehr über ihren Alltag erfahren. Am ersten Tag schauen wir uns im Detail das Beneficio an und besuchen zwei Plantagen. Vor dem Nachtessen nutze ich die Gelegenheit mit zwei weiteren Produzenten, Rene und Herman, zu sprechen und über ihren Alltag als Kaffeebauern zu diskutieren. Nach dem Nachtessen setzte ich mich auf die Veranda des Nachbarhauses, wo sich rund 15 Leute versammelt haben und gemütlich zusammensitzen und über das Leben eines Kaffeebauern in Honduras sinnieren.
Honduras ist nach Nicaragua das zweitärmste Land Zentralamerikas. Die Menschen auf dem Land sind oft sehr arm, weshalb viele von ihnen die Flucht über die grüne Grenze in die Staaten wagen. Von den rund 9 Millionen Hondurenos lebt mittlerweile rund 1 Million im Ausland. Die jährlichen Auslandsüberweisungen entsprechen des 3-fachen Werts der gesamten Kaffeeproduktion des Landes! Diese Zahlen sind eindrücklich und reflektieren die Geschichten, welche mir die Menschen auf La Laguna erzählen. Fast alle hier haben ein oder mehrere Familienmitglieder in den Staaten, einige von ihnen haben selbst bereits einige Jahre in den USA verbracht, um sich mit dem Geld ein Stück Land für eine Plantage kaufen zu können. Und alle sind sie der gleichen Meinung: ein Leben als Migrant in den USA ist schwierig und stressig, ist aber aufgrund der wirtschaftlichen Lage für viele der einzige Ausweg.
Der Ort und die Menschen hier sind etwas Besonderes, sie haben mich tief berührt. In der Community gibt es einen grossen Zusammenhalt, viele der Produzenten sind miteinander verwandt und erzählen von ihren Grossvätern und Urgrossvätern, die vor rund 100 Jahren als erste das Gebiet besiedelt und die Strassen mit eigener Kraft gebaut haben. Ich werde aufgenommen wie ein Familienmitglied und erhalte so Einblick in eine Welt, die bei anderen Plantagen-Besuch meist verborgen bleibt. Es gibt in der Gegend Familien mit den verschiedensten Geschichten und Hintergründen. Die Bauern mit grösseren Flächen haben entweder Land geerbt oder sind durch Arbeit in den USA oder Verwandte im Ausland an Geld für den Landkauf gekommen. Andere Wiederum sind Kleinstbauern, die mit ihrem Land kaum genug verdienen, um sich Lebensmittel kaufen zu können. Die Pflücker-Familien leben in schwierigsten Verhältnissen. Sie haben nur während der Erntemonate ein sicheres Einkommen. In der Zwischensaison, in der meist auch die Preise für Mais und Bohnen dramatisch ansteigen, haben sie kaum Geld für das Nötigste. Der Anbau von Mais und Bohnen für den Eigenkonsum wurde in den letzten Jahren aufgrund der Trockenzeit schwieriger. Die Bauern verkaufen den Mais und die Bohnen meist sofort auf lokalen Märkten zu niedrigen Preisen und müssen zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr zum doppelten Preis Bohnen und Mais für den Eigenkonsum kaufen. Alfredo organisiert auf private Initiative regelmässig Arztbesuche in den abgelegensten Communities, um dort Impfungen durchzuführen und weitere präventive Massnahmen umzusetzen.
Viele Produzenten in La Laguna stehen zur Zeit der Herausforderung gegenüber, dass die Marktpreise dringend benötigte Investitionen auf der Farm (fachgerechtes Schneiden der Bäume, Säubern der Plantage durch Entfernen des Unkrauts und vertrockneten Kirschen, Düngen) nicht zulassen. Doch gerade dies wäre wichtig, um die Produktivität der Plantage zu stabilisieren und für die nächsten Ernte noch zu halten. Einige von Ihnen haben die Möglichkeit, sich zu diversifizieren oder über Verwandte im Ausland an Ressourcen für den Unterhalt der Plantage zu kommen. Andere haben die von Roya befallene Plantage einfach zurückgelassen. Die oben beschriebene direkte Zusammenarbeit kann in Bezug auf diese Problematik Abhilfe schaffen. Haben die Bauern die Möglichkeiten zu fairen Konditionen qualitativ gute Düngemittel vorfinanziert zu erhalten, kann auch die Ernte vom nächsten Jahr gesichert werden.
UTZ-Zertifizierung und die Zukunft von La Laguna
100 der rund 300 Produzenten, die ihren Kaffee im Beneficio verarbeiten lassen, wurden im letzten Sommer aufgrund ihres Potentials und ihrer Motivation für eine UTZ-Zertifizierung ausgewählt. Das Nachhaltigkeitsprogramm geht hier aber sogar noch weiter als UTZ. Ziel ist, nicht nur die Qualität und Produktivität der Produzenten zu erhöhen, sondern auch die Profitabilität ihrer Plantage zu analysieren und zu optieren. Leider kennen die wenigsten Bauern ihre Produktionskosten, welche als Basis für die Beurteilung eines „guten“ oder „schlechten“ Preises dienen sollten. Obwohl die Region hier nicht zu der am unterentwickeltsten des Landes gehört, gibt es auf La Laguna ein grosses Potential die Profitabilität der Plantagen zu erhöhen, wenn die Bauern richtig geschult werden. Die Erhebung der Baseline im letzten Jahr (Ausganspunkt in Bezug auf Produktionskosten, Produktivität etc.) hat gezeigt, dass insbesondere im Farm-Management mittels klaren Anbaukalendern und Arbeitsplänen Ressourcen optimiert werden können. Während den Gesprächen mit den Bauern spüre ich ein grosses Interesse und ein unglaublicher Wille und Glaube daran, dass der Kaffeeanbau auch in Zukunft als Lebensgrundlage dienen kann. Ein nächster Schritt ist die Identifikation und der Aufbau von Modellfarmen, auf denen die Bauern die guten Anbaupraktiken mit einen Augen mitverfolgen können und die Intensivierung der Schulungen.
Fazit Honduras
Nach zwei Tagen auf La Laguna verlassen wir schweren Herzens diesen magischen Ort. Mein Fazit: je mehr man über Kaffee in Honduras weiss, desto mehr wird man sich bewusst, dass man vieles noch nicht weiss. Je nach Entwicklungsstand einer Region, Höhenlagen, Varietät, Supply Chain etc. sieht die Situation im Kaffeeanbau anders aus. Eine universelle Aussage über die Situation in Honduras können wir uns nicht anmassen. Lediglich eines haben allen Produzenten, mit denen wir gesprochen haben gemeinsam: sie sind motiviert und gewillt weiterhin in den Kaffeeanbau zu investieren in der Hoffnung, dass sich die Marktlage in den kommenden Jahren verbessert.