El Cafetal, San Christobal

22. und 23. Februar 2016


Die Plantage und ihre spezielle Geschichte...


Das Dörfchen "El Progreso"
Die kommenden Tage stehen ganz im Zeichen von El Cafetal. Die gestrigen, eher informellen Gespräche mit Nicolas und Wilson lassen erahnen, dass El Cafetal eine Plantage mit spezieller Vergangenheit ist. Nach dem Morgenessen fahren wir mit dem Taxi (auf San Christobal ist auch die Einfuhr von Autos beschränkt, weshalb auch die Locals die immer gleich aussehenden Pick-Up Taxis als Transportmittel verwenden) Richtung „Highlands“. Schon nach rund 5 Minuten fahrt verändert sich das Klima. Hier ist es ein wenig kühler und viel feuchter als noch in Städtchen San Christobal. Wir erreichen die Landwirtschaftsszone. Nach weiteren 10 Minuten Fahrt kommen wir das Dörfchen „El Progreso“, das zweite Dörfchen von San Christobal. Hier leben rund 1000 der insgesamt 7000 Inselbewohner. Am Dorfeingang steht eine Ruine, verschiedene Informationstafeln geben Auskunft über den Hintergrund. Das Haus war einst die Zentrale von „El Progreso“ (der Fortschritt), einer rund 3000 Hektaren grossen Plantage. Hier hat Manuel Cobos, der erste Besitzer von San Christobal bis zu seinem Tod im Jahr 1904 gelebt…

Ruine: ehemaliges Haus von Manuel Cobos
Geschichte von El Cafetal (vorher: El Progreso)

Jede der Galapagos-Inseln hat ihre eigene Vergangenheit. Die Geschichte von San Christobal ist eng mit dem Kaffee verbunden. Kurz der Unabhängigkeit Ecuadors war das Land bestrebt, die Inseln als neu annektiertes Staatsgebiet durch ecuadorianische Staatsbürger zu besiedeln. So wurde die Insel San Christobal 1866 dem reichen Visionär und Unternehmer Manuel Cobos zugesprochen. „Seine“ Insel war ihn ein ehrgeiziges Projekt: San Christobal sollte zu einer Produktionsstätte lukrativer Landwirtschaftsgüter werden, die ans Festland exportiert werden können. Dazu wurden 3000 Hektaren Land in der kleinen für Landwirtschaft geeigneten Zone in eine riesige Hacienda mit dem Namen „El Progreso“ (der Fortschritt) umgewandelt. Ab 1866 wurde zuerst Orseille und ab 1879 Zuckerrohr und Kaffee angebaut. Dafür importierte Manuel Cobos Kaffee-Samen aus den französischen Kolonien in der Karibik (via Panama) und arbeitete mit einer Gruppe französischer Agronomen zusammen. Zusammen pflanzten sie den ersten Kaffee auf Galapagos. Dieser gedieh auf den Inseln aufgrund des Klimas und den nährstoffreichen Böden besonders gut. Die Agronome wählten die Varietät „Bourbon“, die noch heute als eine der edelsten Arabica-Sorten gilt. In der Mitte der Plantage entstand das Arbeitercamp und einzige Dorf der Insel, „El Progreso“, wo Cobos direkt neben den Arbeitern auf einem riesigen Anwesen wohnte und die Plantage verwaltete. Zu Spitzenzeiten arbeiteten hier rund 600 Menschen, die vom Festland Ecuadors hierhergekommen waren. Neben freiwilligen Arbeitern wurden auch verurteilte Straftäter zur Arbeit auf die Insel geschickt. Cobos führte seine eigene Währung ein und führte die Plantage mit strenger Hand. Nachdem er Arbeiter wegen Verweigerung mehrmals hart bestrafte und sogar zu Tode verurteilte, wurde er 1904 von seinen Arbeitern in Progreso angegriffen und umgebracht. Die riesige Plantage teilten sich die Inselbewohner unter sich auf und erhielten später im Zuge einer Landreform die Landrechte dazu. Der Familie Cobos blieb ein rund 600 Hektar grosses Stück Land, wo Kaffee angebaut (287 Hektaren) und Viehwirtschaft betrieben wurde. Nachdem sich die Nachkommen von Cobos hoch verschuldeten, ging das Vermögen an die Bank über, von der der Anwalt der Familie Cobos das Anwesen schliesslich erwarb. Nach der Ära Cobos wurde die Plantage aufgrund der Besitzerwechsel vernachlässigt. Von 1940-1989 wurde keine Investitionen mehr getätigt, die Plantage verwilderte und verwandelte sich in ein Dschungel mit gepflanzten Kaffeebäumen.



El Cafetal heute

1989 wurde die Familie Gonzalez über Bekannte auf San Christobal auf die Hacienda aufmerksam. Die Familie, welche zu dieser Zeit im Kaffeeexport Ecuadors tätig war und selbst verschiedene kleinere Fincas besitzt, war fasziniert von der Geschichte dieser Plantage. Nach einer Besichtigung war sich die Kaffee-erfahrene Familie sicher: wenn die Plantage revitalisiert wird, steckt darin grosses Potential für erstklassigen Kaffee, auch wegen den besonders fruchtbaren, vulkanischen Böden. Dazu mussten aber nicht nur der Wald vom Unkraut befreit, sondern auch der Kaffee-Verarbeitungsprozess überarbeitet werden. Zusammen mit einem Team von Agronomen wurden ein 10-Jahres Plan für die Wiederbelebung der Plantage entwickelt. Aus Costa Rica wurde die Technologie der Nassmühle eingeführt. Es folgte jahrelange Aufbauarbeit – auf Stufe Anbau, Verarbeitung sowie Vermarktung. Im Zentrum des Konzepts steht seither die Produktion eines ökologischen, exklusiven Edelkaffees. Dazu gehört eine neuer Name, (“El Cafetal“), der Anbau im Agroforstsystem, eine sorgfältige Verarbeitung, Bio-Zertifizierung und das Beibehalten alter Traditionen. So wird bei Infrastrukturprojekten stets der ursprüngliche Baustil beibehalten. Ein weitere spannender Punk: die Bäume auf El Cafetal sind heute mehrheitlich immer noch die ursprünglich gepflanzten – sie sind über 150 Jahre alt (ein Kaffeebaum muss normalerweise nach 40 Jahren ersetzt werden…)!

Die fünf Merkmale des Café de Galapagos (Plantage El Cafetal)

Der Kaffee von El Cafetal zeichnet sich, neben seiner speziellen Geschichte, durch folgende Besonderheiten aus:
·                    Klimatische Bedingungen und nährstoffreiche Böden: Durch den kühlen Humboldt-Strom und die warme Meeresströmung aus Panama entsteht auf San Christobal ein auf einer Höhe von 300-500 M.ü.M. ein Klima, welches einer Höhe von normalerweise 1200-1300 entspricht. Der Kaffee wächst hier deshalb auf einer für Kaffee geringen Höhe von 250-400 M.ü.M. Besonders in den höheren Lagen auf den Inseln gibt es ein perfektes Gleichgewicht zwischen Sonnenlicht und Regen, welches dem Kaffee einen speziellen Geschmack und Aroma verleiht. Die vulkanischen Böden sind überdies nährstoffreich und sorgen für ideale Bedingungen im Kaffeeanbau.
·                    Varietät – Bourbon: Eine Besonderheit der Plantage ist die Varietät und das Alter der Kaffeebäume. Noch heute stehen auf El Cafetal die ursprünglich gepflanzten Bäume der Varietät Bourbon – sie sind teilweise 150 Jahre alt.  Die Samen dazu wurden 1879 aus Panama importiert. Natürlich hat die Produktivität der Bäume in den letzten Jahren aufgrund des hohen Alters rasant abgenommen; ein Problem, dass die Familie Gonzalez in den nächsten Jahren angehen muss. Ziel ist es, die Plantage Schritt für Schritt neu aufzuforsten, mit selbst gezogenen Setzlingen von den ursprünglich gepflanzten Bäumen. Wilson Gonzalez ist überzeugt, dass die Bäume über besonders gutes genetisches Material verfügen und eine solide Basis für die Zukunft sind.


·                    Biologischer Anbau: Auf die Verwendung von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln wird hier komplett verzichtet. Als Dünger werden lediglich die kompostierten Kaffee-Kirschen verwendet. Während des gesamten Verarbeitungsprozesses wird darauf geachtet, dass die Umwelt geschont wird. So wird das Wasser für mehrere Prozesse verwendet und das Abwasser in fachgerechte Sickerbecken geleitet.


·                    Anbau im Agroforstsystem: Der Kaffee auf El Cafetal wird im sogenannten Agroforstsystem angebaut. Dabei wächst und reift der Kaffee im Schatten zahlreicher Bäume. Im Vergleich zum Anbau mit Schattenbäumen gibt es in einem Agroforstsystem nicht nur 2-3 verschiedene Baumarten, sondern eine grosse Vielfalt einheimischer Pflanzen und Bäume. Diese Art von Wald hat, wie der Primärwald, verschiedene Ebenen (Gräser zu untersten, danach Kaffee, darüber Bäume verschiedener Höhen). Damit wird der Wald, in dem der Kaffee ursprünglich wuchs, imitiert und bietet zum Beispiel einen Lebensraum für Vögel. El Cafetal ist mit dem „Bird Friendly“ Certificate ausgezeichnet, welches vom Smithsonian Migratory Bird Center für biologische Plantagen mit einer Vielfalt von Schattenbäumen vergeben wird. Durch das Agroforstsystem entsteht ein Klima, welches ideal für die Entwicklung des Kaffeebaums ist. Extreme Hitze oder zu starker Regen werden abgefedert. Das organische Material, welches von den Bäume auf den Boden fällt, spendet natürliche Nährstoffe und dient damit als Dünger für den Kaffee. Ursprünglich durch Manuel Cobos eingeführt, ist der Anbau im Agroforstsystem ein fester Bestandteil des Kaffees von El Cafetal geworden. Dieses Anbausystem ist einerseits die Philosophie der Familie und entspricht andererseits auch den strengen Umwelt-Policies der Galapagos-Inseln. Der Wald spielt eine zentrale Rolle dafür, dass San Christobal auch in Zukunft über reichlich Süsswasser verfügt. Durch die durch den Wald verursachte Verdunstung regnet es regelmässig.
Wilson Gonzalez erwähnt im Gespräch einen weitere spannenden Punkt: Heute wäre auf der keine andere Anbauweise möglich. Aufgrund der hohen Kosten für Arbeit wird die Plantage so wild wie möglich gehalten. Arbeiter entfernen schneiden einmal im Jahr das Unkraut am Boden und bringen die Pulpe als Dünger aufs Feld. Alle paar Jahre werden die Kaffeebäume und Schattenbäume zurückgeschnitten. Ansonsten wird die Plantage weitgehend sich selbst überlassen.



Plantage vor der jährlichen "Reinigung" - die Kaffeebäume sind von Unkraut überwachsen
·                    Qualität: Die Qualität des Galapagos Kaffees wird mittels durchdachten Selektionsprozesse bei der Ernte und Verarbeitung erreicht. Als die Familie Gonzalez die Plantage 1990 übernommen hat, musste neben der Revitalisierung der Plantage vor allem an diesen Prozessen gearbeitet werden. Als erstes Projekt wurde die Verarbeitung im Detail angeschaut und das bestehende Beneficio umgebaut. Wilson Gonzalez hat dabei zusätzliche Arbeitsschritte zur Kontrolle und Selektion der reifsten und für den Export geeigneten Kaffeekirschen entwickelt. Folgende Arbeitsschritte gehören zum Standardablauf: 
1.      Die reifen Kaffeekirschen werden durch geschulte Pflücker von Hand geerntet, wie dies in Lateinamerika üblich ist. Auf der Plantage arbeiten rund 20 Festangestellte und zusätzlich 40 temporäre Erntehelfer. Normalerweise gibt es 3 Erntedurchgänge. Der Farm Manager behält die Übersicht über die 45 Lots der Plantage und teilt den Erntehelfern jeweils ein Lot zu.
2.     Bei Ankunft am Beneficio werden Kirschen pro Lot in eine Wasserbecken gegeben. Die sogenannten „Floaters“ schwimmen oben auf. Leichte Bohnen und Fremdkörper können so entfernt werden.
3.      Der dritte Schritt ist speziell auf El Cafetal. Beim Beneficio steht ein Sortiertisch. Arbeiter sortieren die Kirschen von Hand nach Farbe. Nur die roten, reifen Kirschen werden für den Export weiterverarbeitet.
4.     Nun gehen die Kirschen durch eine Maschine zur Erkennung der Menge des Fruchtfleischs (Honig): rote Kirschen mit zu wenig Fruchtfleisch werden aussortiert.
5.     Depulping der Kaffeekirschen
6.     Auf El Cafetal sind die Kaffeebohnen gross - teilweise so gross, dass im Beneficio ein einem separaten Arbeitsschritt maschinell die grössten Bohnen aussortiert werden. Dies, weil zu Grosse Bohnen bei Verarbeitung mit sich bringen können.
7.      Die Bohnen werden in einem Becken während rund 8h fermentiert.
8.      Der Kaffee wird erneut nach Gewicht separiert und Floaters aussortiert.
9.      Waschen: Mit Wasserdruck wird der Honig von den Bohnen gewaschen; es bleiben die Kaffeekirschen im Pergamino.
10.  Zuletzt folgt die Trocknung: die Bohnen werden auf dem Patio des Beneficios an der Sonne vorgetrocknet.





Sortiertisch, Beneficio El Cafetal

Export

Nach der Vortrocknung auf der Hacienda wird der Kaffee per Pick-Up nach San Christobal transportiert, wo im Zentrum des Städtchens ein grosser Patio mit einem kleinen Büro und einem Zwischenlager aus alten Zeiten steht. Auf dem grossen Patio werden die Bohnen fertiggetrocknet. Hier geht es in der Erntezeit rund. Im Office wird Buch geführt über Mengen, Lots und verladenen Kaffee geführt. In eigens für den Kaffee gemieteten Containern erfolgt die Verschiffung nach Guayaquil. Dort werden die Bohnen in der Trockenmühle zwischengelagert. Erst kurz vor dem Export wird der Pergamino entfernt und der Kaffee via Panamakanal exportiert.

Office, Lagerhaus und Patio mitten in der "Stadt"
Gespräch mit Wilson Gonzalez im Office, San Christobal

Abschiedsfoto vor dem Lagerhaus gleich neben dem Office in San Christobal mit Nicolas (links) und Wilson (rechts)
Auf dem Plantagenrundgang erzählt mir Wilson Gonzalez zwei weitere erzählenswerte Dinge:
·                    Auch auf Galapagos waren die Auswirkungen von El Nino in diesem Jahr zu spüren. Auch wenn das Agroforstsystem den Kaffee vor Wetterextremen schützt, hat ein tendenziell wärmeres und trockeneres Klima dafür gesorgt, dass alle Kirschen zur gleichen Zeit gereift sind und deshalb nicht alle gepflückt werden könnte. Ein Teil der Ernte ging auf diese Weise verloren.

·                    Auf unserer Reise haben wir mit den Produzenten viel über die Roya gesprochen, welche in der Vergangenheit verheerende Folgen hatte und zur Entwicklung Roya-resistenter Varietäten geführt hat. Bauern, die heute noch ältere, nicht resistente Sorten Pflanzen, sind auf Pflanzenschutzmittel und gute Anbaupraktiken zum Schutz ihrer Plantagen vor der Roya angewiesen. Wie sieht es mit Roya auf Galapagos aus? Wilson Gonzalez erzählt mir, dass Roya auf Galapagos bis vor drei Jahren nie ein Thema war. Vermutlich eingeschleppt durch Menschen und Lebensmittel, führt die Roya auf Santa Cruz jedes Jahr zu erheblichen Ernteausfällen. Aus diesem Grund diskutiert man gegenwärtig über das Aufforsten mit Roya-resistenten Varietäten wie z.B. der  Sarchimor. Dieser Prozess dauert jedoch an, da auf Galapagos auch die Einführung neuer Varietäten streng reguliert ist.  Nun, wie sieht die Situation auf El Cafetal aus, wo der Roya-anfällige Bourbon wächst? Es scheint, als würde die Roya bei diesem im Agroforstsystem angebauten Kaffee vom Ökosystem auf der Plantage selbst reguliert. Bei genauer Betrachtung der befallenen Blätter fällt auf, dass letztere vom einem anderen Pilz, dem Hyperparasiten Verticilium hemileiae, befallen werden und so die Roya gestoppt wird – es gibt hier also eine Art natürlicher Pflanzenschutz.

Von Roya befallener Kaffee-Baum. Erstes Anzeichen: hellgelbe Flecken. Hier: dunkelgelbe Flecken darüber ist Verticilium. Nach "Heilung" bleibt ein brauner Fleck, ebenfalls im Bild.