Zertifizierung in Lepaera

16. Februar 2016 (Bruno)

Während Nicole weiterhin in La Laguna weilt,  bin ich heute in der Provinz Lempira unterwegs, nicht weit von der Grenze zu El Salvador. Gracias, das kleine Städtchen der Region, war in der Spanischen Kolonialzeit die erste Hauptstadt Zentralamerikas. Viel ist vom Glanz vergangener Tage nicht mehr übrig geblieben. Neben Thermalquellen und der Nähe zum Nationalpark Celaque gibt es nicht viele Attraktionen in dieser Gegend. Touristen verirren sich nur sehr selten nach Gracias. So hat sich die Region zum grössten Teil der Landwirtschaft verschrieben, wobei Kaffee aufgrund der topografischen und meteorologischen Lage bestens gedeiht. Wir fahren weiter zum Dorf Lepaera. Immer wieder sehen wir Kaffee, der zum Trocknen auf den „Patios“ (Zementplatz) vor den Häusern ausgebreitet liegt. Die Erntezeit ist bald vorbei und man kann gut erkennen, dass  sich die Zeit der Topqualitäten der Kaffeebohnen dem Ende zuneigt. Ausnahme sind die höher gelegenen Farmen, die sich aufgrund der späteren Erntezeit noch mitten in der Ernte befinden.

Anlieferung der Kaffeebohnen mit dem Pick-up
Wir machen Halt am Beneficio Lepaera. 241 zertifizierte Bauern liefern hier ihren Kaffee ab, wobei man in diesem Stadium der Verarbeitung von Parchment spricht (Kaffeebohnen mit Pergamino). Beim Entpulpen der Kaffeekirschen fällt auf der einen Seite Kaffeepulpe an. Diese wird meistens kompostiert und zu einem späteren Zeitpunkt als natürlicher Dünger ins Feld zurückgebracht. Auf der andern Seite werden die Kaffeebohnen vom Rest getrennt. Sie werden zu diesem Zeitpunkt noch immer von einer Schleimschicht geschützt. Durch Fermentation und das Abwaschen der Schleimschicht entsteht der nasse Pergamino (Parchment: Kaffeebohnen im Pergamino), welcher die Bauern abliefern. Es ist noch früh am Morgen und die Aktivitäten halten sich in Grenzen. Immer nachmittags wird der angelieferte nasse Parchment auf einen LKW geladen und ins ca. 4 Stunden entfernte San Pedro Sula gebracht. Dort wird er getrocknet und weiterverarbeitet.
Vitor Navas stösst zu uns. Er ist Chefagronom und betreut 17 Mitarbeiter. Diese beraten 2‘647 Bauern, welche über verschiedene Kaffeeregionen in ganz Honduras verteilt sind. Meistens sind die Bauern in Gruppen organisiert. In Lepaera sind zwei Agronomen fest der Gruppe und ihren 241 Bauern zugeteilt. Jeder Bauer wird mindestens dreimal pro Jahr besucht und erhält eine individuelle Beratung. Die Agronomen beschränken sich jedoch nicht nur auf die agronomische Beratung auf dem Feld, sondern integrieren weitere Dienstleitungen. So müssen viele Bauern müssen den Schritt vom Produzenten zum Unternehmer machen. Es reicht nicht,  einfach Kaffee anzubauen. Vielmehr müssen die Bauern lernen, ihre Farm zu managen und  mittel- bis langfristig profitabel zu bewirtschaften. Kostenmanagement und die Beobachtung der internen Verkaufspreise sind genauso wichtig wie der eigentliche Anbau des Kaffees.

Farm von Maximilian 
Wir steigen in einen Geländewagen ein und fahren los. Vitor will uns anhand von 4 verschiedenen Bauern zeigen, wo im Moment die Herausforderungen der Kaffeeproduktion liegen. Die Strassen werden immer enger und unruhiger. Wir fahren weiter den Berg hoch. Hier auf über 1300 M. ü. M. machen wir unseren ersten Stopp. Maximilian Casto Alcantara ist stolzer Besitzer von 5,6 Hektaren Land, wo er ausschliesslich Kaffee anbaut. Der Kaffee gedeiht idyllisch unter verschiedenen Schattenbäumen. Das Klima ist spürbar kühler als unten beim Beneficio. Vitor erklärt uns, was zu machen ist, wenn die Kaffeebäume von der Roya (Schimmelkrankheit) befallen werden. Wenn der Fungus frühzeitig erkannt und richtig behandelt wird, beläuft sich der Schaden auf ca. 100$ pro Hektare. Anhand des Nachbars, der nicht am Zertifzierungsprogramm teilnimmt, kann man sehen, was die Roya anrichten kann: Den totalen Verlust aller Kaffeebäume. Eine Neupflanzung kostet im Durchschnitt 5‘000$. Nicht wenige Bauern müssen sich hoch verschulden, um die Plantage neu zu bepflanzen. Dies kann zur Schuldenfalle werden. Nicht so bei Maximilian Casto Alcantara; er hat dank der Hilfe von Vitor und seinem Team die Roya besiegt.

Wir fahren weiter zu Jose Israel Ferrera. Er besitzt über 11 Hektaren Land, wovon 5.6 Hektaren produktiv genutzt werden können. Wir sind hier auf ca. 950 M.ü.M. Es ist deutlich heisser und die Ernte ist hier schon vorbei. Doch das heisst nicht, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Arbeit auf der Plantage gibt. Viele Bauern vernachlässigen nach der Ernte die Pflege der Bäume. Jetzt muss der Baum geschnitten werden. Das alte Holz muss entfernt werden, damit sich der Baum für die nächste Ernte entfalten kann. Eine harte jedoch mittelfristig sehr wichtige Arbeit; nur so kann sichergestellt werden, dass auch in den nächsten Jahren der Ertrag auf einem stabilem Niveau bleibt. Bei vielen Farmen kann man beim Vorbeifahren erkennen, dass sie nicht an einem Schulungsprogramm mitmachen. Die Gesundheit eines Baumes kann ein Fachmann meist an der Farbe seiner Blätter erkennen. Mit dem Schneiden nach der Ernte bewirkt der Bauer eine gleichmässige Produktion des Kaffees, überdies kann die Schwankung von Ernte zu Ernte eingedämmt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Wirtschaftlichkeit einer Farm; nur wenige Bauern können sich eine ertragsschwache Ernte leisten. Jose Israel Ferrera ist überzeugt von den erhaltenen Schulungen und möchte auch in Zukunft seine Farm Schritt für Schritt vergrössern.

Neue Pflanzungen
Bei den nächsten Farmen wird uns aufgezeigt, wie wichtig die richtige Düngung ist. Vitor und sein Team lassen jährlich die Böden aller 2‘647 Bauern untersuchen. So kommen im Jahr mehr als 9‘000 Bodenproben zu Stande. Anhand der Proben werden die nötigen Nährstoffe ermi
ttelt und damit die Düngerrezepte erstellt. Im letzten Jahr waren insgesamt 52 verschiedene Rezepte notwendig. Auf diese Art kann jeder Bauer seine Parzellen mit dem individuell Besten Dünger versehen. Der Düngereinsatz sinkt so enorm. Das gleiche kann von den Produktionskosten gesagt werden. Vitor bestellt den Dünger für die ganze Gruppe, was bessere Einkaufskonditionen zur Folge hat. Es resultieren weniger Einsatz von Dünger, tiefere Kosten und höhere Erträge. Das Programm lohnt sich für alle: Es ist ihnen in den letzten Jahren gelungen, die Erträge pro Hektare stetig zu erhöhen. Sie liegen mit 1‘920 Kilogramm pro Hektare fast doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt.

Was wir aus unserem Besuch in Lepaera mitnehmen sind die vielen motivierten Bauern, welche trotz der aktuell schwierigen Marktlage positiv in die Zukunft schauen. Die Kaffeeproduktion wird, wenn die Konditionen es erlauben, in den nächsten Jahren kontinuierlich wachsten. Das Kapital, welches auf diese Weise in die Region kommt, wird dringend benötigt um Infrastruktur und Bildung weiter voran zu treiben. So wird der Kaffee zu einer Chance für die ganze Region.


Nasser Parchment
Trockener Parchment
Knospen für die nächsten Blüten